Im Zuge unserer Arbeit für 365 Female* MCs kommen wir tagtäglich mit Künstler:innen in Kontakt, deren Biografien und Geschichten nicht unterschiedlicher sein könnten, die jedoch alle vor Leidenschaft für Rap-Musik und musikalischem Talent nur so strotzen. Nicht immer haben wir dabei die Möglichkeit, selbst mit den Künstler:innen zu sprechen und unsere Fragen an sie zu richten, doch wenn, dann mündet es in der Regel in sehr inspirierenden Interviews. Im Falle der heutigen Künstlerin ist jedoch weniger die Rede von einem Interview im klassischen Sinne, als viel eher von einem intensiven Gespräch und Austausch über allerlei aktuelle Themen. Ein Gespräch, in dem es unter anderem um politischen Aktivismus und den Zusammenhang mit dem eigenen musikalischen, künstlerischen Schaffen geht, oder aber um Selbstfindungs- und Selbstverwirklichungsprozesse innerhalb einer patriarchalen Gesellschaft.
Dabei hat es sich die Rapperin Sara bereits vor einigen Jahren zur Aufgabe gemacht, ihre Vorstellungen und Gedanken zu einer besseren und insbesondere gerechteren Welt durch ihre Musik zu kommunizieren. In der Folge scheint es nur naheliegend, dass sie ebenso Teil des griechisch-deutschen politischen HipHop-Netzwerks In.Flammen ist, bei dem auch die Rapperin Mis Zeb mitmischt.
Seit ihrer Jugend in anarchistischen, autonomen und antiautoritären Kreisen aktiv, beginnt Sara zirka um das Jahr 2014 damit, ihre eigenen Songs zu schreiben, damals vor allem aus einer inneren Trotz- und Widerstandshaltung heraus. Sie war genervt von der Männerdominanz, dem Macho-Gehabe vieler Szeneakteur:innen in der Rap- wie auch der lokalen DIY-Szene. Am meisten jedoch störte sie die fehlende Repräsentation weiblicher beziehungsweise nicht cis-männlicher Stimmen in eben genau diesen Kontexten: „Wenn man etwas verändern will, dann warte nicht darauf, dass jemand anderes es macht, sondern nimm es selber in die Hand“, wiederholt Sara mehrfach im Gespräch mit 365 Female* MCs. Für sie steht fest, dass das Mindeste, das ein:e jede:r von uns tun kann, darin besteht, es zumindest zu probieren und nicht von Anfang an aufzugeben. Sätze und Ansichten, die Sara nicht einfach so floskelartig über die Lippen kommen, sondern von tiefster Überzeugung herrühren und auf ihren eigenen Erfahrung gründen.
In ihrem Song „Στέκω Γυναίκα“ (dt. „Ich stehe als Frau“) feat. Ηρω-ίνη aus ihrem 2017er Debüt-Album „Αντι-Σύλληψη“ (dt. „Anti-Syllipsi“, also „Verhütung / Gegenkonzept“) rappt Sara unter anderem solche Lines1:
„Ich bin ein Mädchen, das in einer typisch ägyptischen muslimischen Familie aufgewachsen ist, meine Mutter war Christin, und das war ein Problem. Mein Vater ließ mich beten und fasten und nach den Worten des Propheten Mohammed leben.“
In der Hook des Songs heißt es weiter:
„Ich stehe als Frau gegen alles, was mich seit meiner Geburt unterdrückt. Ich bin eine Frau, die in Pakistan gesteinigt wurde. Ich bin die Frau, die sie für die Prostituierte bezahlt haben. Ich bin die Frau, die vergewaltigt wurde und Selbstmord begangen hat.
Ich stehe als Frau gegen alles, was mich seit meiner Geburt unterdrückt. Ich bin eine Frau und jetzt halte ich den Stein in meiner Hand. Ich bin die Frau, die nicht mehr vergibt. Ich bin eine Bedrohung für jeden Unterdrücker.“
Sara weiß selbst nur zu gut, wie viel Kraft und Mut es erfordert, für die eigenen Träume und Ansichten zu kämpfen. Insofern ziehen sich derartige autobiografischen Aspekte wie ein roter Faden durch ihre Songs. Gleichzeitig spricht Sara in ihrer Musik Themen wie die weibliche Emanzipation aus gesellschaftlichen Zwängen sowie die Notwendigkeit antisexistischen und antifaschistischen Aufbegehrens an und ruft musikalisch zu mehr Solidarität und Kollektivität untereinander auf. So ist es kein Zufall, dass Sara im Sommer 2020 gemeinsam mit der französisch-griechischen Punk-Band Krav Boca in Frankreich und der Schweiz auf Tour war und sie zusammen unter anderem den Song „Barrikade“ aufgenommen haben.
Mit ihrer empowernden Message und woken Lebenseinstellung stellt Sara in jedem Fall eine wichtige Figur im derzeitigen Rap-Game dar, der unser vollster Respekt und Dank für diese wertvolle (musikalische) Arbeit gebührt!
1Die vollständige Übersetzung des Songs ist von Sara selbst im Kommentarbereich zum YouTube-Video zu finden und nachzulesen.