Rap in Mundart und Dialekt sind längst im deutschen Mainstream angekommen. Die Wiener Rapperin Hunney Pimp, die gebürtigen Hessen Mädness & Döll oder Ruhrpott-Rapper Pedaz zeigen das klar und deutlich. Doch was Österreich und Deutschland vor noch nicht allzu langer Zeit etablieren konnten, ist in der Schweiz schon lang ein gängiges Subgenre. Eine ganz besonders erfolgreiche Szene hat sich direkt in Basel gebildet – Black Tiger als offiziell erster Basler Mundart Rapper ging in den 90ern voraus.
Eine Rapperin, die seit jeher den Rap in Basler Mundart genauso beeinflusst, ist Linda Furlanetto, bekannt unter ihrem Künstlerinnennamen Sista Lin oder als Teil des sechsköpfigen Kollektivs Vybezbilder. Die Schweizer Rapperin mit italienischen Wurzeln stieg als Mitte-20-Jährige in die Rapszene ein und überzeugte von Anfang an mit gekonnten Flows im typischen Basler Dialekt. Mittlerweile ist Linda 36 Jahre alt, um sie und ihr Kollektiv ist es ein bisschen stiller geworden, doch ein Blick auf sie und ihre Crew lohnt immer wieder.
Sista Lin gehört gleich zwei HipHop-Crews an. Auf der einen Seite das Rappartment, das sich selbst als große Familie und metaphorisch auch als immer größer werdende Wohnung begreift. Zum Rappartment gehören Label und Vertrieb, Studioräume und auch ein Verein selbst – eine große Gemeinschaft für Schweizer Mundart Rap-Fans eben. Darüber hinaus ist es, betrachtet man Sista Lins Umfeld, aber beinahe noch wichtiger, auf das Kollektiv Vybezbilder zu schauen. Hinter dem provokativ-feministischen Namen verbergen sich neben Sista Lin die Rapperinnen La Nefera und KimBo sowie die Producerinnen und DJs Sasa und Miss Golden G – so oldschoolig wie ihre Namen klingen, ist im übrigen auch ihre Attitude. Auf ihren gemeinsamen Veröffentlichungen vereinen sie inzwischen vier Sprachen und jede Menge klassische HipHop-Elemente. Nach eigener Aussage wollen sie selbst zwar ein Vorbild für andere Frauen sein und zeigen, dass das Geschlecht in der Mundart-Rap-Szene genauso wenig Hindernis sein sollte wie überall anders. In erster Linie bleibt die Crew aber ihre persönliche Leidenschaft, die sie fernab von fremden Meinungen und Blicken verteidigen und lieben.
Sista Lin ist seit Jahren in der Szene – und scheint sich wohl zu fühlen. Für sie ist Rap in erster Linie eine persönliche Passion, die keine weitere Aufgabe hat als ihr selbst Freude zu bereiten und sie zu erfüllen. Trotz des nach außen politisch angehauchten Crew-Namens Vybezbilder will Sista Lin in erster Linie Spaß haben und die Musik genießen, statt sich den Kopf um politische Themen zu zerbrechen. „Man muss als Frau ein etwas dickeres Fell haben und doppelt so viel Selbstbewusstsein mitbringen“, sagt sie auf der einen Seite, andererseits ist sie aber auch überzeugt, dass „… manche Passagen (…) nicht immer ganz so gern genommen werden [dürfen]. Solche Dinge gehörten schon immer zum Rap“ (im Interview mit dem Schweizer Magazin BLICK). Doch ganz unpolitisch ist sie wiederum auch nicht: „Es gibt ganz klare Grenzen. Rassistische oder allgemein menschenverachtende Aussagen gehen für mich gar nicht“, positionierte sie sich noch im selben Interview.
Auch wenn es inzwischen ruhiger um sie ist, bewies Sista Lin auch ohne ihre Gruppe, wie viel Bock auf temperamentvollen Rap und Lyrics mit Message in ihr stecken. Das Solo-Debütalbum „Linguistic“ umfasst dazu diverse Genreausflüge. Von funky Beats wie auf der Single „Hai“, über Partysongs wie „Händ in d Luft“ bis hin zu wütenden Battelrap-Tracks wie „Miststück“ beweist Sista Lin, dass ihr Hunger kaum zu stillen ist. Um die verschiedenen Stile abzudecken, legt Sista Lin zudem besonderen Wert auf Zusammenarbeiten mit diversen anderen Artists. Ob wir davon in naher Zukunft wieder etwas zu hören bekommen, ist derzeit Ungewiss. Ein Auge auf Sista Lin und ihre Kolleginnen zu haben, empfiehlt sich aber trotzdem.