„I’m Jay when it come to streets, I’m Nas a lyrical monster, I’m Kim when it come to Brooklyn, I’m B.I.G. if anyone askin’.“ fasst die New Yorkerin Siya ihre musikalische Sozialisation und gleichzeitig den Anspruch an ihre eigene Musik auf dem Opener ihres Debütalbums zusammen. „SIYAvsSIYA“ heißt die 2016 erschienene Platte, auf die die Rapperin seit ihrem siebten Lebensjahr hinarbeitet. Schon im Grundschulalter beginnt Siya in ihrer Nachbarschaft, der rauen Sozialbau-Siedlung Eleanor Roosevelt, in der auch Mos Def aufwuchs, zu freestylen. So durchläuft sie die klassische Rap-Sozialisazion der goldenen Ära in New York. Daraus ergibt sich noch heute die logische Konsequenz eines roughen BoomBap-Sounds, über den die 32-Jährige ihre Reime spuckt.
In ihren Texten erzählt die New Yorkerin, die mittlerweile in Los Angeles wohnt, vor allem von ihrer Jugend auf den Straßen Brooklyns und ihrer langjährigen Suche nach einer queeren Identität innerhalb der HipHop-Kultur. In jungen Jahren zieht Michelle Shermann, wie Siya bürgerlich heißt, aus einer verschlafenen Kleinstadt in Kalifornien mitten in den sozialen Brennpunkt von New York City. Dort lebt sie bei ihrer Großmutter, während ihr Vater im Knast sitzt und die Mutter mit einer Drogensucht kämpft. Folgerichtig verbringt die junge Siya viel Zeit auf der Straße und bekommt mit der Zeit auch immer mehr Ärger mit der Polizei. Ihre Großmutter ist es schließlich, die sie vor einem schlimmeren Schicksal bewahrt. In einem rührenden, öffentlichen Brief an ihre schwer erkrankte Oma dankt Siya dieser dafür, sie von dem klassischen Weg in Richtung Gefängnis oder Tod heruntergeholt zu haben. Um ihr Hobby Musik ernster zu nehmen, zieht Siya auf Einladung der R&B-Legende Tank, der sie schließlich auf seinem Label R&B Money LLC signt, nach LA.
Mit der Hilfe ihres neuen Labelboss‘ landet Siya dann in der Fernsehsendung Sisterhood of Hip Hop, in der mehrere weibliche MCs auf ihrem Weg durch die männlich dominierte Rap-Industrie begleitet werden. Durch ihr Dasein als eine der ersten offen lesbischen Rapperinnen, sticht Siya aus der Show heraus und wird zu einem unter Fans der Sendung kontrovers diskutierten Charakter. Die New Yorkerin spielt dennoch in allen drei Staffeln der Reality-TV-Show in einer Hauptrolle mit, worunter wiederum ihr musikalischer Output trotz zwei Mixtapes im Jahr 2015 ein wenig leidet. Nach dem Ende der Show erscheint dann 2016 endlich ihr Debüt-Album, was sowohl lyrisch, als auch im Soundbild deutlich gereifter daherkommt als ihre früheren Songs. Allerdings fährt Siya karrieretechnisch seit ihrer Hauptrolle bei Sisterhood in Hip Hop mittlerweile auch zweigleisig: Mit dem Horror-Thriller Follow Me erscheint im Spätsommer 2020 bereits der vierte Film, in welchem sie als Schauspielerin zu erleben ist.