Fehlende weibliche Vorbilder, Unsicherheit und Gewalterfahrungen in der Partnerschaft hielten Elisabet Alor nicht davon ab zu Sombra Alor zu werden. Schon der Titel ihrer ersten Demo „WAR (WOMAN ARTIST REVOLUTION)“ aus dem Jahr 2016 macht macht eines deutlich: Die vielschichtige Künstlerin versteht es, Rap und Feminismus zu verbinden – und damit gegen den Status quo anzugehen.
So findet die katalanische Rapperin deutliche Worte zu sexistischen Aussagen in der Szene:
Der Machismo im Rap ist viel expliziter. Das Problem sind nicht die Künstler, sondern die Gesellschaft, die nach diesen Künstlern verlangt“.
im Interview mit Pikara Magazine
Gleichzeitig kritisiert sie ihre männlichen Kollegen, die zwar über Klassenunterschiede und -kämpfe sprechen, aber nicht über Rassismus oder Gender. Der Diskurs in der Szene sei insgesamt sehr frauenfeindlich.
Wenn die Mehrheit der Rapperinnen Lesben sind, warum haben dann ein paar heterosexuelle Rapperinnen Erfolg? In Spanien ist das Einzige, was durchkommt, der weiße Typ, der über die Arbeiterklasse spricht.“
– im Interview mit Pikara Magazine
Dem will Sombra Alor etwas entgegenhalten und ist sich dabei ihrer Verantwortung als Künstlerin bewusst. Es gehe bei der Musik nicht nur um Unterhaltung, sondern darum, Menschen und Gesellschaften zu verändern. Ihr Ziel besteht darin, Räume zu besetzen, in denen der Feminismus fehlt und den eigenen Diskurs nach außen zu tragen. Rückhalt erhält sie aus der feministischen Bewegung in Barcelona.
Ihre Standhaftigkeit beweist die engagierte Musikerin: Sie wehrt sich dagegen ihren Diskurs einzuschränken, lässt sich nicht zensieren und stellt sich gegen Repressionen, die sie in Spanien erlebt. Gemeinsam mit anderen Rapper*innen hat sie an dem Song „Los Borbones son unos Ladrones“ mitgewirkt, in dem es auch um den Rapper Valtònyc geht. Dieser wurde der aufgrund seiner Songtexte, unter anderem wegen schwerer Majetätsbeleidigung zu dreieinhalb Jahren Freiheitsstrafe verurteilt wurde. Der solidarische Kollabo-Track soll ein Statement gegen unverhältnismäßige Strafen und die Unterdrückung von Meinungsäußerungen darstellen sowie auf die herrschende Doppelmoral aufmerksam machen. Immerhin, so kritisieren die mitwirkenden Artists, gibt es derzeit mehr und mehr öffentlich aufkeimende rechte, faschistische Diskurse, für die niemand in Spanien ins Gefängnis gehen müsse.
Neben ihrer Musik als Solokünstlerin engagiert sich Sombra auch in verschiedenen Projekten und Gruppen: Mit der Gitarristin Ana Toledo rief sie KeTeKalles ins Leben und von 2017 bis 2019 war sie Teil der Gruppe Tribade. Mit dem Musikproduzenten Dj Day B gründete die Spanierin zudem das Projekt Micro Libre BCN: „Es ist ein Versuch, uns zu ermutigen, an uns selbst zu glauben und unseren eigenen Weg zu gehen. Ich glaube, dass wir nicht genug an uns selbst glauben und deshalb die Dinge nicht zu Ende bringen […]“.
Wer sich nicht nur von Sombras politischer Haltung überzeugen möchte, sondern auch ihrer musikalischen Vielfältigkeit, sollte sich auf jeden Fall ihr neues Album anhören. Dieses erschien erst Anfang 2024 zusammen mit Carlo Juranccelli und unterstreicht ihr künstlerisches Streben in Bestform.