Usually violin music, when it’s incooperated in pop music, it’s usually like a special part of the song. Or it’s like low mix and it’s a really beautiful just constant thing happening. But for me, my approach is more like fiddle. It’s very lively. You really have to make your instrument talk.
Sudan Archives im Interview mit Outro
Die Geige ist das Herzstück und zentrales Wiedererkennungsmerkmal in der Musik von Sudan Archives. Sie mischt die akustische mit der elektrischen Geige. Die in Cincinnati, Ohio aufgewachsene Musikerin Brittney Denise Parks bringt sich das Violine spielen selbst bei – ausschließlich nach Gehör und ohne Theoriekenntnisse. In ihrer Schulzeit inspirieren sie irische Violinespieler:innen. Die Klänge sind eine willkommene Abwechslung zur sakralen Akustik, die Sudan Archives mindestens dreimal pro Woche durch Kirchengänge verinnerlicht hat.
Die Themen auf dem Debütalbum „Athena“ (2019) kreisen sich um „radikale Subjektivität“1. Das bedeutet eine aktive Abgrenzung von dem, was die Familie oder Gesellschaft von der eigenen Person erwartet. Außerdem geht es um die Variation von dem, was „Schwarze Frau“ bedeuten kann. Diese Eigenermächtigung entzieht sich jeder gesellschaftlichen rassifizierten Objektifizierung. Diese Eigenkreation ihrer Selbst spiegelt sich auch auf dem Cover der Platte wider, welches Sudan Archives als Bronzestatue mit hochgehaltener Violine zeigt. Gleichzeitig soll mit dem Cover auch infrage gestellt werden, warum es generell so wenige Denkmäler für Schwarze Menschen und deren Leistungen gibt. Die Auseinandersetzung mit Rassismus und was Schönheit bedeutet, ist auch schon dem Cover der EP „Sink“ (2018) eingeschrieben. Sudan Archives präsentiert sich hier mit goldenen Ringen, Afro und „tiefschschwarz gefärbt“2. Es stellt eine Referenz und Erinnerung dar, dass Menschen auch innerhalb Schwarzer Communities Ausgrenzungen aufgrund ihrer Hautfarbe erfahren – Stichwort „Colorism“. Mit ihrer Musik setzt sich das Ausnahmetalent ein eigenes Denkmal. Das „Archives“ im Künstlerinnennamen verfestigt dies.
Die strenge religiöse Weltsicht zuhause schränkt ihre Kreativität ein. Sudan Archives zieht nach Los Angeles und durchforstet sämtliche Plattenläden, um hier immer wieder neue Artists und Klänge zu finden. Besonders Francis Bebey, ein Pionier elektronischer afrikanischer Musik, beeinflusst sie fortan sehr in ihrem musikalischen Ausdruck. In einer minimalistischen Weise verbindet er traditionelle westafrikanische Streichinstrumente mit elektronischer Musik. Schon bald zieht die Presse erste Vergleiche von Sudan Archives mit Björk oder Santigold – zurecht, sind diese Künstler:innen doch alle ebenso einzigartig und gelten als Außenseiter:innen mit ihrer Kunst im Musikbusiness. Nachdem sie bei einer Low End Theory Party3 zufällig Interessent:innen kennenlernt, entscheidet sich Parks schnell bei Stones Throw in Los Angeles zu signen. Von ihrer ersten Auskopplung „Sudan Archives“ (2017) bis „Athena“ erscheinen all ihre Releases über das Label.
Sudan Archives bleibt sich als Autodidaktin treu. Ein Einblick in ihr Homestudio, dessen Wände mit sämtlichen Zupfinstrumenten verziert sind, geben einen Hinweis darauf. Neben der irischen Violinenkunst schlägt ihr Herz ebenso für keltische Musik, Schwarze Musik, Rock und Blues. Im Studio verwendet sie eine MIDI Violine, weiter geht es mit Pluck Sounds und der eingespielten Geige. Damit ist eine solide Grundlage für das Instrumentarium eines Songs gebaut. Alle Ohren die HipHop, Soul und Folk mögen, werden einige Ohrwürmer finden.
Aktuell interpretiert Sudan Archives anlässlich eines Tributealbums für Yoko Ono deren Song „Dogtown“ neu. Wer im Sommer in der Nähe von Kanada ist, hat die Chance die Musik der Künstlerin live auf dem Indie Festival Sled Island zu erleben. Außerdem ist Sudan Archives dort erstmals als Kuratorin tätig.
1 Missy Magazine
2 ebd.
3 Die Low End Theory war eine von 2006 bis 2018 wöchentlich stattfindende HipHop-Party in der Bar The Airliner in Los Angeles.