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Taxita

Taxita

Dass HipHop in der Lage ist, Leben nicht nur zu verändern, sondern in manchen Fällen sogar zu retten, dürfte die wenigsten unserer Leser:innen erstaunen. Als einen solchen Fall würde sich wohl die polnische Rapperin Taxita bezeichnen, deren Lebensweg die HipHop-Kultur an entscheidenden Wendepunkten mehr als einmal prägte. Bereits mit zehn Jahren fühlt sie sich zu Graffiti und Streetwear hingezogen und übt sich als Skatergirl. Parallel dazu schreibt sie Gedichte. 1997 sitzt sie vor dem Computer und schaufelt gerade Frühstück in sich hinein, als im Fernsehen der Song „Czas przemija“ des Rappers Peja läuft. Taxitas Welt steht plötzlich Kopf: „An indescribable feeling drove into my heart, as if something had entered it forever. Euphoric joy began to mix with anger and sadness, with the strength of struggle and survival. In this track and the whole album, I found an oasis for myself away from problems at home”, beschreibt die Rapperin diese Initialzündung aus heutiger Sicht. Sie sei kein ganz so “schwieriges Kid” gewesen, wie Peja es in seinen Texten beschrieb, sagt sie uns im Interview. Leicht hat sie es jedoch nicht, läuft deshalb zwischenzeitlich von zu Hause weg. HipHop gibt ihr eine neue Heimat, jeden Takt, jeden Beat saugt sie auf. Dennoch zieht sie es nicht in Erwägung, selbst zum Mic zu greifen:

The music showed freedom, and even though I listened to it non-stop, I wrote some lyrics over the beat again and again, but it wasn’t a big deal and my confidence wasn’t there at all.”

Dieses Schicksal teilt Taxita wohl mit vielen weiblichen HipHop-Fans. Auf die Bühne zieht es sie trotzdem: Zunächst strebt die junge Künstlerin eine Laufbahn als Schauspielerin an – ein Job, der ihr zwar Freude bereitet, sie aber zugleich sehr fordert: „Today I cannot imagine subjecting my mind to so many emotions at will.“ Die Folgejahre beschreibt Taxita als „reich an Erfahrung und Ausdrucksmöglichkeiten“ – dennoch habe immer irgendetwas gefehlt.

2013 markiert einen weiteren Wendepunkt im Leben der Künstlerin – ein Jahr, das für Taxita einen Schicksalsschlag nach dem anderen bereithält. Sie ist inzwischen alleinerziehende Mutter, verliert ihren Job und erkrankt an Depressionen. „I was panically looking for a way out of my inner pain, because my life situation was becoming disastrous, and my head could not cooperate with reality and face it.” Taxita startet einen YouTube-Beat und fängt an, zu schreiben. Das Resultat: der Song „Jutro“ (Deutsch: „Morgen“). Taxita ist angefixt und fühlt eine plötzliche Energie in sich, die sie lange nicht für möglich gehalten hat. Während eines Konzerts in Zielona Góra gesellt sie sich zu ein paar lokalen Rappern, die sie zuvor noch nie gesehen hat. Auf die Frage, wer sie denn sei, antwortet sie selbstbewusst, sie sei Rapperin, und wird prompt herausgefordert, doch mal etwas sehen zu lassen. Sie zeigt den MCs ihr gerade erst geschriebenes Debüt. Am nächsten Tag hat sie ihre erste Studiosession mit den Jungs.

„Jutro“ wird Taxitas erste Single, ihr folgen zunächst sporadisch weitere Tracks. 2014 und 2015 spielt sie erste Konzerte: „I failed completely and it taught me to perform sober and I started to approach music more seriously.” Kurz darauf emigriert sie nach Frankreich, wo sie an ihrem ersten inoffiziellen Album „Mojra“ arbeitet. Dieses öffnet ihr diverse Türen für Kollabos und musikalische Projekte, und auch ihre Heimat Polen kann die Rapperin nun nicht mehr ignorieren. Die meisten CD-Verkäufe verzeichnet sie dennoch zunächst im Ausland, in Großbritannien, Deutschland und den Niederlanden. Es sind vor allem Expats, die Taxitas Musik kaufen und ihr so auch zu immer größerem Erfolg in ihrem Heimatland verhelfen.

Ende 2019 schießt sie das Album „Elegancko“ hinterher. Die LP entsteht recht ungezwungen und in Zusammenarbeit mit mehreren Akteur:innen: Insgesamt zehn Producer und sechs Feature-MCs sind auf den 16 Tracks vertreten. Inhaltlich beschäftigt sich Taxita auf dem Longplayer mit ihren Wurzeln im HipHop und ihrer Liebe zu Rap: „I cannot function normally without it.“ Aber auch die Auseinandersetzung mit Depression und Suchterkrankungen findet in ihren Lyrics Platz. Auch wenn die Rapperin oft dem Straßenrap zugeordnet wird: Stilistisch präsentiert sich Taxita so divers, dass wir sie ihren Style am besten selbst beschreiben lassen:

Between hip-hop sounds I smuggle elements of blues, reggae, dancehall or afrotrap and other musical genres, not labeling myself in any of them and equally putting my whole heart into various work, while bearing in mind my rap identity from my early teenage years.”

Vor allem sieht sich Taxita aber als Live-MC. Zu ihren Shows gehören nicht nur eine energetische Rap-Performance, sondern auch die beiden Tänzerinnen Paulina und Laura, die ihre Lyrics in Choreographien übersetzen: „three women in rap with great passion“. Da der für die Rapperin so wichtige Adrenaline Rush auf der Bühne aktuell fehlt, arbeitet sie an Longplayer Nummer drei, der den Namen „Real“ tragen soll. Parallel dazu steuert die Featureparts zu Tracks von Szejk, ZETGIEPE und vielen weiteren Kolleg:innen bei. Und ihre weiteren Pläne für die Zukunft?

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I want to infect people with energy and values that are most important to me, show my own perspective on people, life, the world and related matters and at the same time promote women in Polish rap.”

Taxita hat sich in den vergangenen acht Jahren einen festen Namen in der polnischen Rap-Szene gemacht und gilt inzwischen vielen up&coming Artists als Vorbild. An Aufhören ist dabei noch lange nicht zu denken: „There is no strength to stop me because I’m damn stubborn.” Gut so.

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