Mit einem Track auf quasi alle französischen Artists-to-watch-Listen: Das muss eine erst einmal schaffen. Theodora ist es gelungen. Am 7. Dezember 2022 veröffentlichte sie „Le Paradis Se Trouve Dans Le 93“ und gilt seitdem als eine der vielverprechendsten Newcomer:innen des Landes:
Ganz alleine hat sie diesen Ohrwurm allerdings nicht zu verantworten. Ihre scharfsichtige, schonungslose Liebeserklärung an Seine-Saint-Denis, das französische Département mit der Postleitzahl 93, entwickelt sie zusammen mit ihrem Bruder: Jeez Suave begleitet ihre Karriere bereits von Beginn an als ihr Produzent und Manager. Er schleppt seine Schwester 2018 erstmals ins Studio, ihre erste Single „Le Thune“ erscheint im November 2019. Ein Album namens „Neptune“ folgt 2021.
„Ein bisschen überall, denke ich“, beantwortet Theodora in Full Sentimental, dem Podcast des Grünt-Festivals, die Frage danach, wo sie aufgewachsen sei. In der Schweiz, in Griechenland und im Übersee-Département La Réunion habe sie gelebt, zeitweise in der Obhut ihrer Großeltern, bevor es die Familie nach Frankreich verschlug. Dort wohnte sie in La Rochelle und Rennes, ehe sie in 93 im Einzugsgebiet von Paris ihr Paradies findet. Die ständigen Neuanfänge empfindet Theodora allerdings nicht als Last. Verschiedene Sicht- und Denkweisen kennenzulernen, sei ein Geschenk, betont sie.
Eine verlässliche Konstante in diesem bewegten Leben liefert die Musik. Ihre Eltern bringen Theodora ihr kongolesisches Erbe nahe. „Das macht einen großen Teil von mir aus“, erklärt sie, fasziniert von der Sprache, der Musik und insbesondere den traditionellen Tänzen des Landes, in dem die Wurzeln ihrer Familie liegen. „Als ich klein war, habe ich viel getanzt, ich wollte sogar professionelle Tänzerin werden“, erinnert sie sich. Außer mit afrikanischen Dancemoves beschäftigt sie sich bald auch mit Jazz-Tanz und klassischem Ballett.
Einen großen Teil ihrer musikalischen Sozialisation erledigt jedoch das Fernsehen. Zur kongolesischen Musik, die ihr Vater spielt, gesellen sich bald internationale Pop- und R&B-Acts. Insbesondere Rihanna hinterlässt bleibenden Eindruck mit ihrem ‚Umbrella-ella-ella-eh‘!
Spiegeln die ersten Projekte noch Theodoras Suche nach einer eigenen musikalischen Identität, zeichnet sich bald ab, wo sie und Jeez Suave ihre Nische finden: zwischen Trap-Percussions, elektronischem R&B und verzerrten Gitarren, immer dem Rhythmus auf der Spur. Mit „LPSTD93“ scheint der perfekte Genremix gefunden, auch Hyperpop, Digicore und Drum&Bass stecken im vielschichtigen Sound. Darüber droppt Theodora mit hoher, trotzdem nicht schwachbrüstiger Stimme ihre Lines und sorgt dafür, dass sich die Hook tief, tief ins Ohr drückt. Mit dem „Millennium Falcon in vollem Hyperantrieb“ vergleichen die Kolleg:innen von new-tone.fr die „neue, junge, queere Rap-Diva“ und verorten sie in „in einem Tolkien-Wald zwischen Elfen und anderen Glühwürmchen“.
Auch sie selbst ist um blumige literarische Zitate nicht verlegen: Die EP, die sie im März 2023 ihrer Durchbruchsingle folgen lässt, trägt den Titel „Lili Aux Paradis Artificiels“, in Anspielung an Baudelaires Werk „Les Paradis artificiels“, in dem er sich schon 1860 mit der Wirkung von Opium und Haschisch befasste. Ob auch Theodora ein drogeninduziertes farbenfrohes Wunderland sucht, um einer tristen Realität zu entfliehen? Zwar sagt sie, die Traurigkeit sei ihr das vertrauteste Gefühl von allen. Grund, sich wegzuträumen, hat sie momentan allerdings nicht: Die französische Musikszene hat Theodora auf dem Radar. Jetzt muss sie nur noch durchstarten.