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Tia Carys

Tia Carys

Tia Carys

Schaut man sich die britische Rap-Szene heutzutage an, wird eins schnell klar: Die USA sorgen längst nicht mehr allein für deepe Texte oder sicke Beats. Die Künstler:innen aus Großbritannien lassen eben sich nicht mehr von der amerikanischen Konkurrenz in den Schatten stellen. Eines der jüngsten Beispiele hierfür liefert das britische Talent Tia Carys. Sie hat sich ihren Platz in der Musik erkämpft wie kaum eine andere.

Geboren in Hayes im Westen Londons, verbrachte sie die ersten Jahre ihres Lebens ohne Gehör. Die Welt um sich herum nahm sie lediglich über das Sehen, Riechen, Schmecken und Tasten wahr. Erst eine Operation stellte ihr Gehör wieder her. Um Gleichgewicht und Selbstbewusstsein zu stärken, ermutigte ihre Mutter sie dazu, Tanzunterricht zu nehmen. Ein Stipendium an der Italia Conti Associates School in Ruislip ermöglichte ihr, Ballett, Stepptanz und Jazz zu lernen.

Hier traf sie auf einen Tanzlehrer, der ihre spätere Karriere weitgehend beeinflussen sollte. Ihr Lehrer für HipHop gab ihr regelmäßig Aufgaben, um die verschiedenen Instrumentalstränge und die Komplexität vieler Musikstücke zu verstehen. Diese Auffassungsgabe führt zu der Diversität in ihren aktuellen Tracks.

My vibe is a cross between Afro-Fusion, kind of a R&B, a bit of everything. I mean I experienced a bit of everything. I wanna put a little bit of my everything out in the world.”

Tia Carys im Interview mit SK Vibemaker

Auch wegen ihrer Herkunft musste sich Tia Carys in ihrer Kindheit einigen Herausforderungen stellen. Ihr Vater stammte aus Ghana, die Mutter aus England. Die sozialen Hierarchien machten es der Schülerin schwer, Anschluss zu finden. Sie sah sich nie in der Lage, sich mit ihren weißen oder schwarzen Mitschüler:innen voll und ganz zu verbinden, und ebenso wenig, diese beiden Seiten zusammenzubringen. 

I’m too hood for the posh and too posh for the hood. It’s hard to fit in.”

Tia Carys im Interview mit SK Vibemaker

Heute blicke sie reflektiert auf diese Zeit zurück, habe sich die Distanz zu anderen zum Vorteil gemacht, das Tanzen und tiefes Zuhören dazu genutzt, all dies zu überwinden. Was dabei herauskam, ließ sich sehen: Ohne Zugang zu einem Studio und ohne finanzielle Mittel fing Carys an, Rap-Challenges auf Instagram zu teilen. Unter dem Hashtag #Teestyles postete sie Freestyle-Videos, die viral gingen. Der Vertrag beim Label Ministry of Sound brachte sie ins ins Studio, wo ihr erster Hit entstand. 

Mit nur 20 Jahren releaste sie „English X Ghana”, einen Appreciation-Song an die Heimat ihres Vaters und ihre doppelte Herkunft. Kurz darauf folgte die erste EP „En Root” – eine Mischung aus Rap, Drill und Dembows. Thematisch richtet sie sich an all die Herausforderungen, denen sich Jugendliche beim Erwachsenwerden stellen müssen: Freundschaft, Liebe, Sex, Social Media und Mental Illness. In einem Interview erklärt sie, wie wichtig diese zukünftige Generation sei. Mit ihrer Musik will sie auf sie einwirken und ihnen als Vorbild vorausgehen.

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Auch einer ihrer erfolgreichsten Songs ist auf der EP verewigt. Mit dem Track „Intro” spricht die Rapperin gleich ein weiteres Thema von immenser Bedeutung an und bringt dabei ihr ganzes Herz mit ins Spiel. Tia Carys rappt über ihre Sexualität, ihre ersten Gefühle für eine andere Frau, über Diskriminierung, Heuchelei und vor allem Selbstakzeptanz. „’Intro‘ handelt davon, furchtlos zu leben und zu lieben. Viele Leute haben mir geschrieben, dass der Song sie dazu gebracht hat, offener mit ihrer Sexualität […] oder ihrem Coming-Out umzugehen. Ich habe das Gefühl, dass ich den Leuten geholfen habe, sich nicht allein zu fühlen”. Im gleichen Interview erklärt die Künstlerin sogar, dass „Intro” deshalb zu ihren Lieblings-Tracks gehört.

Alles, worüber Tia Carys schreibt, handelt von wahren Handlungen ihres Lebens. Grundsätzlich geht es ihr darum, zu vermitteln, wer sie ist und was sie beim Aufwachsen in ihrem Leben alles lernt. Das zwingt die junge Rapperin zu Offenheit und Transparenz, was viel Selbstvertrauen erfordert: „Die Leute können mich lieben oder hassen, was es auch ist – wenigstens weiß ich, dass ich echt bin.”

Mit ihrer Single „Refugee” stellt sie dies kurze Zeit später erneut unter Beweis. In diesem dreiminütigen Freestyle überzeugt die Britin mit kritischen, direkten Texten und anspruchsvollen Reimen. Thematisch geht es dabei um Carys harte Erziehung, ihre Begegnung mit der Musik sowie um Kampf und persönliches Wachstum. In ihrer neuesten Single „Hangman” tut sie sich mit Toddla T zusammen. Mit dröhnenden und hellen Visuals im 90’s-Style bringt sie ein Gefühl von Spaß und Frechheit in den Track und zeigt hier erneut, wie vielseitig ihre Musik sein kann.

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