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Titica

Titica

Im Jahr 2011 wird die angolanische Musikerin und Tänzerin Titica zur:m besten Kuduro-Künstler:in des Jahres ernannt. Mittlerweile feiert man sie in ihrer Heimat als „Queen of Kuduro“. Tatsächlich steckt hinter der Erfolgsgeschichte von Teca Miguel Garcia, so ihr bürgerlicher Name, jedoch noch viel mehr: eine Geschichte des Empowerments, des Widerstands und des unermüdlichen Kampfes für die eigenen Träume und für die Rechte der LGBTQI*+-Community sowie ihren Familien – und das alles mit und wegen Kuduro.

Während man hierzulande im Mainstream nur wenig Berührungspunkte mit dem energiegeladenen, tanzbaren Kuduro hat, erfreut sich diese Form der Musik seit ihrer Entstehung in den 1990er Jahren in den portugiesisch geprägten Ländern Afrikas, insbesondere in Angola, und der angolanischen Diaspora weltweit zunehmender Beliebtheit. Charakteristisch für den Kuduro-Sound ist der harte Beat um die 140 bpm, der zusammen mit Gesang und Rap-Parts sowie – ganz wichtig – zugehörigen Tanzschritten performt wird. Nicht ohne Grund bedeutet „Kuduro“ so viel wie „harter Arsch“. Hierbei wird nämlich alles geschüttelt, das der Körper an Masse hergibt. Kuduro lässt sich auch als eine Art Fusion transatlantischer Sounds bezeichnen. Vorwiegend basiert das Genre auf Elementen aus Techno, Soca, Zouk, HipHop, House, angolanischer Semba und kongolesischer Musique Modern, wobei besonders die soziokulturelle Dimension hinter der Musik ausschlaggebend für den mittlerweile auch internationalen Erfolg in Ländern wie Brasilien, Portugal, Mosambik oder Guinea-Bissau ist:

I define kuduro as dance, joy. It is a style. It depicts our reality in the ghetto. Kuduro used to be highly marginalized. And we broke this taboo. […] Kuduro represents freedom of expression. People were discriminated against because of what they looked like. People were discriminated against: big earrings, the hair, impressive clothes. Kuduro was made taboo to some people.“

(Titica im Interview @ Red Bull Music Academy Berlin, 2018)

Tatsächlich entsteht Kuduro in einer Zeit, in der Angola von starken politischen Spannungen und gewaltsamen Unruhen gebeutelt ist. Die angolanische Bevölkerung kämpft um ihre Unabhängigkeit vom portugiesischen Kolonialismus. Kuduro spendet in diesem Zusammenhang nicht nur Momente der Freude und ein gewisses Maß an Hoffnung, sondern dient auch als Mittel zum Zweck, um in den Texten auf die marginalisierten Lebensrealitäten der Menschen vor Ort hinzuweisen und sozialen Wandel einzufordern.

For Angolans, kuduro has a stronger dance connotation. Through dance and rhythm Kuduro is better able to portray our reality. In Kuduro, we have freedom of expression. Kuduro has sugar, kuduro has salt.“

(Titica im Interview @ Red Bull Music Academy Berlin, 2018)

Als trans Frau weiß Titica nur allzu gut, was Marginalisierung und Diskriminierung bedeuten. Immerhin wächst die 1987 geborene Künstlerin in einem afrikanischen Land auf, welches derartig von der katholischen und neu-apostolische Kirche und deren postulierter heterosexuellen Zwangsmatrix geprägt ist, dass bis 2018 Homosexualität als illegal deklariert und bestraft wurde. Sie selbst wurde aufgrund ihrer Identität geschlagen, mit Steinen beworfen und ihre Familie gedemütigt. Doch Titica kämpft für unermüdlich für ihre Recht und ihren großen Traum, Karriere machen zu wollen. Sie arbeitet zunächst als Backup-Tänzerin für große Kuduro-Stars wie Propria Lixa, Noite Dia, and Puto Portugues und macht sich so einen Namen.

Eher zufällig ergibt sich 2011 für Titica die Möglichkeit, ihre erste eigene Single „Chão“ sowie kurz darauf das gleichnamige Album aufzunehmen. Nicht nur in Angola, sondern auch in Portugal und Brasilien wird „Chão“ zu einem allgegenwärtigen Hit und dem meistgespielten Kuduro-Song. Seitdem geht es für Titica die Karriereleiter steil hoch: Über die Jahre folgen hochkarätige Kollaborationen mit Artists wie Ary („Olha o Boneco”, 2012), Paulo Flores (“Makongo”, 2014), Pablo Vittar („Come e Baza“, 2018) oder Preto Show („Xucalho“, 2020).

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Im Jahr 2018 veröffentlicht Titica direkt zwei weitere Alben: „Pra Quê Julgar“ sowie „De Ùltima á Primeira“.

Mit ihrem Style und ihren Looks fungiert Titica nicht nur als Trendsetterin, zu der vor allem junge Menschen in Angola aufschauen. Sie stellt auch eine wichtige Vorbildperson dar, die ihre Reichweite nutzt, um sich stark zu machen – für sich und die LGBTQI*+-Community. Schon alleine ihr Name ist ein einziges Statement: Auf Portugiesisch bedeutet „titica“ eigentlich so viel wie „nutzlos“ oder „wertlos“ und wird häufig gegen trans Personen verwendet. Titica hingegen reclaimt das Wort voller Stolz und Kampfgeist. Nicht ohne Grund wurde die Aktivistin 2013 zur Goodwill-Botschafterin von UNAIDS ernannt, dem gemeinsamen Programm der Vereinten Nationen für HIV/AIDS.

Wie sie in zahlreichen Interviews und auch in ihren Songs deutlich immer wieder verdeutlicht, übernimmt sie nur allzu gerne eine derartige Verantwortung: Titica ist es eine Herzensangelegenheit, ihre eigene Stimme zu nutzen, um jüngere Generationen – speziell aus der LGBTQI*+-Community – zu empowern und ihnen Wege zu ebnen: „They don’t need to like us. […] But they have to respect us.“ (The Telegraph)

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