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WinterDaBrat

WinterDaBrat

Hin und wieder fühlt es sich angemessen an, einfach einmal Danke zu sagen. Zum Beispiel Alphonse Pierre von Pitchfork, der uns unsere heutige Künstlerin vor ein paar Monaten auf den Radar katapultiert hat. „Der punkigste Song, den ich seit Ewigkeiten gehört habe“, schrieb er über „Whole Lotta Glah Glah Boom Shit“, erhob die Nummer zum „must-hear rap song of the day“ und attestierte der aufstrebenden New York Drill-Rapperin einen Flow „wie ein entgleister Zug“. Na, das hören wir uns doch an, bevor wir weitermachen:

„Glorreich auf jeder Ebene“, findet das der Kollege Yannik Gölz von laut.de mit jedem Recht der Welt. „Komplett atemloser Shittalk in halsbrecherischem Tempo ohne jeden kohärenten Flow gegen diesen drückenden und vollkommen beschissen gemischten New York-Beat.“ Sein Urteil: definitiv real.

Tja, der realste Rap keimt offenbar noch immer in der Bronx: Hier, genauer gesagt in Mitchel’s Projects. Es handelt sich hierbei um eine nicht gerade von Glück und Wohlstand geküsste Hood, aus der die Frau mit puertoricanischem und dominikanischem Background kommt, die sich zunächst WinterKenzo, später WinterDaBrat nennt. Hier wächst sie als ältestes von drei Kindern auf. „Mit meiner Mutter gab es viel Streit“, erinnert sie sich später. „Aber ich liebe sie, und auch meine beiden kleinen Brüder.“ Der eine ist drei, der andere über zehn Jahre jünger als sie.

Viele Freund:innen hat WinterDaBrat nicht, sie setzt eher auf wenige handverlesene Vertraute als auf einen großen Freundeskreis. „Ich bin viel für mich allein. Das gibt mir Zeit zum Nachdenken.“ Musik spielt in der kleinen Clique allerdings eine große Rolle. Aus Langeweile, erinnert sich WinterDaBrat, habe sie mit zwölf oder dreizehn Jahren angefangen, selbst damit herumzuspielen. „Ich dachte, ich kann das nicht, dann hab‘ ich es versucht“, erzählt sie im Interview mit Who’s Outside. Zum Glück hat sie!

Wann immer WinterDaBrat einen Track droppt, fallen die Kinnladen nach unten, angesichts ihres chaotischen, auf alle Hörgewohnheiten und Konventionen einen gediegenen Scheiß gebenden Flow und ihrer rohen, ungezügelten Energie. „Sie kann rappen“, so die vorherrschende Meinung in den Kommentaren. „Aber sie veröffentlicht zu wenig.“ Tatsache: Fans von WinterDaBrat brauchen viel Geduld. Um die immer wiederkehrenden Fragen nach einem Album oder Mixtape eiert sie in Interviews dermaßen herum, dass man sie nicht auf ein Releasedatum festnageln kann. Es wäre wahrscheinlich ohnehin zwecklos: Oft erscheinen nicht einmal Tracks, die sie zuvor bereits angekündigt hatte. Auch aus einer angedachten Kollabo mit Ice Spice wird nichts. „Ich weiß, dass ich so schon etliche Chancen verschenkt habe“, kommentiert WinterDaBrat, scheint sich aber weiter nicht viel daraus zu machen. Sowieso lassen sie negative Kommentare eher kalt: „Diese Leute kennen mich nicht persönlich. Wieso sollte ich mir das zu Herzen nehmen? Ich bin selbst mein härtester Kritiker. Über mich kann mir auch niemand etwas erzählen, die einzige Person, die in meiner Haut steckt, bin ich selbst.“ Wer Energie aufwendet, um einen Hasskommentar abzulassen, mag sie im Grunde, davon gibt sich WinterDaBrat überzeugt. Blöd nur:

I can’t record until I’m angry. When people diss me it makes me want to make more music.“

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– WinterDaBrat gegenüber Who’s Outside

Unbeeindruckt von Kommentaren einerseits, andererseits braucht sie sie als Ansporn: Das erklärt vielleicht ihren undisziplinierten Veröffentlichungs-Rhythmus, klingt aber nicht gerade konsequent. Wir sollten uns jedoch vor Augen halten, dass diese Frau gerade einmal 17 Jahre alt ist. „Alle wollen, dass ich mehr schreibe, als ich schreiben will. Ich weiß noch gar nicht, was ich will und wo ich reinpasse“, gesteht sie gegenüber Who’s Outside. „Ich will niemanden enttäuschen. Ich will aber auch nicht die ganze Zeit wütend sein.“ Ein nachvollziehbarer Wunsch.

Zukunftspläne allerdings hat WinterDaBrat, wenn auch noch wenig konkrete. Auf jeden Fall möchte sie genug Geld verdienen, um sorgenfrei leben und vor allem, um New York den Rücken kehren zu können. „Hier passieren abgefuckte Sachen“, erzählt sie. „Freunde kommen ins Gefängnis.“ Sie will nur weg, lieber heute als morgen. Wohin? „Ich weiß nicht, vielleicht Connecticut?“ Die Interviewerin von Talk Of The Town schaut ungläubig. „Ja, egal, irgendwohin, wo es ruhig ist.“ WinterDaBrat mag ein Kind der Bronx sein. Alt werden möchte sie dort aber auf gar keinen Fall.

Nun, rappen könnte sie ja auch im Grünen. Hoffen wir also, dass wir noch einiges von dieser Drillgranate zu hören bekommen. Egal, woher sie künftig senden mag: Bisher hat es sich noch jedes Mal gelohnt.

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