Die estländische independent R&B-Sängerin und Rapperin Yasmyn tritt mit einer sleeken Gelassenheit auf, mit der selbstsicheren Aura derjenigen, die sich bereits ihre Sporen in der HipHop-Szene verdient haben.
Dabei ist ihr Debütalbum “SlowFall” vor gerade mal drei Jahren erschienen – mit einem gewaltigen Knall. Noch im gleichen Jahr wurde die Tallinnerin für den Estonian Music Award als Best Rap Artist nominiert, obwohl ihre Texte zu allermeist auf Englisch sind. Das Album ist in LA und unter Zusammenarbeit mit diversen internationalen Künstler*innen entstanden. Es wäre zu kurz gefasst, zu sagen, “SlowFall” wäre durch die US-amerikanische Kultur beeinflusst. Es ist schlicht ein amerikanisches Album, so perfekt reiht es sich in die HipHop- und Trap-Szene der USA ein.
Auch die Bezeichnung Rapperin wird Yasmyn kaum gerecht, denn die vielschichtige Künstlerin ist ebenso im Neo Soul, R&B und Trap zuhause. Auf “SlowFall” gehen die poppigen EDM-Mixes nahtlos in organische Instrumente über und rotziger Rap wechselt sich mit samtenem Soul ab.
2019 sind außerdem die alleinstehenden Singles “Rich” und “Pay Attention” – meine persönlichen Favoriten – erschienen. Insbesondere “Rich” zeigt Yasmyns besondere Herangehensweise an die durchgetretenen Klischees des HipHop. Mich kriegen die meisten “Hey, guck dir an, wie viel Geld ich habe”-Songs nicht, aber Yasmyn schaut hinter diese Fassade, wenn sie rapt “I am rich/ I am rich/ N*** I got no money, but I’m rich”, und macht mir klar, was an diesen Songs eigentlich so gut ist. Wenn ungeniert mit dem eigenen Reichtum angegeben wird, geht es nicht einfach darum, Geld zu haben – sondern Geld zu haben wider der gesellschaftlichen Umstände. Das ist würdig, gefeiert zu werden. Yasmyn fordert am Anfang des Songs “I need that honest Hip Hop”, hat im Video kein Geld für’s Benzin, klaut den kleinsten Bikini aus dem geklauten Auto und hat dabei den Spaß ihres Lebens.
Sie selbst bezeichnet ihren Output 2019 als “fun and experimental”.
Auf der 2020 erschienenen EP “Illusions” und einer kurzen, dazu erschienenen Dokumentation schlägt sie dagegen einen dunkleren, melancholischen Ton an. Sie sagt in der Dokumentation:
I think that we can all agree that everyone of us wants to live the dream […] and your dreams come true with a lot of work, with a lot of patience and consistency”
The success is so precious because it was super hard to get there.”
Zu der Arbeit an der EP sagt sie:
…it’s […] a reflection of my emotions and the vibe that I experienced during the process of the creation”
Es ist nur verständlich, dass dabei eine ernsthaftere Platte entstand. Live aber scheinen die Arbeit und Anstrengung wie verflogen, wenn man sich die Aufnahmen ihrer Auftritte ansieht. Ihre einnehmende und gleichzeitig sphärische, hypnotische Bühnenpräsenz ist sicher auch für ihren Erfolg verantwortlich.
Im Frühling diesen Jahres erschien ihr zweites Studioalbum „Yasmyn“, auf dem R&B und Soul deutlich mehr Raum einnehmen. Der Elektrosound ist weitgehend ersetzt durch organische Instrumente mit viel Reverb. Die rotzigen Raptracks und Trapbeats sind vollends feinfühligen midtempo Nummern gewichen. Die edgy Coolness macht auch dieses Album zu einem Highlight in der Diskografie von Yasmyn, die hoffentlich noch um zahlreiche spannende Releases erweitert wird. Die Ambitionen, Inhalte und Skills für eine langfristige Karriere bringt die Musikerin in jedem Falle mit.