Eine dunkle Samstagnacht. Ich steige mit einem unwohlen Gefühl in die fast leere U-Bahn – Handy raus, Musik an, Blick nach unten. „QUIEN COMO YO?“ („dt. Wer wie ich?“) dröhnt es durch meine Kopfhörer. „QUIEN QUE SEA MÁS DURA QUE YO?“ (dt. „Wer ist härter als ich?“) geht es weiter und zumindest für einen kurzen Moment fühle ich mich ein Stückchen stärker und nicht ganz allein. Die kraftvolle Stimme, die mich begleitet, gehört zu Zairah – „La Madrina del Pari Rap“ (dt. „Die Patin des Party-Rap“).
Wer nun eine belanglose Diskografie ohne Tiefsinn erwartet, der irrt. Zairah: Das steht für eine Balance aus tanzbaren Beats, einem starkem Flow und subtil vermittelter politischer Aussage. Die in LA lebende MC lässt sich nur schwer in enge Genregrenzen pressen. Was zu sagen ist: Ihre Musik ist wie gemacht für den Club und bringt gute Laune. Ihr Stil orientiert sich am Urban Latin, wobei sich in ihrem Debütalbum „Daddy Dura“ auch Trap- und Afrobeat-Einflüsse finden. Zustande kommt diese Diversität nicht zuletzt durch Zairahs Zusammenarbeit mit unterschiedlichen Produzent:innen weltweit. Sie sprengt Grenzen und vereint gleichzeitig Menschen – musikalisch und global.
Zairah hat in der Vergangenheit bereits mehrfach mit dem mexikanischen Produzenten WILDKATZ zusammengearbeitet – so auch bei dem auf „Daddy Dura“ erschienenen Track „QUIEN COMO YO“. Sowohl textlich als auch im Musikvideo zeigt die Nummer sehr deutlich Zairahs Vision, die sich durch weite Teile ihrer Diskografie zieht. Es geht um Body Positivity und FLINTA*-Empowerment, weibliche Sexualität und darum sich niemals unterkriegen zu lassen.
Auch hinter den Kulissen zeigt sich Zairahs Stärke. Das Musikvideo wurde gefilmt als sich die MC in der Regeneration nach einer Operation befand:
It’s a true representation of feeling like a badass b*tch and owning your situation, I was standing in front of those window panes with my scar still healing screaming ‘QUIEN COMO YO?’ That’s the realest and baddest it could get. I felt invincible despite the pain.“
Soundazed
Musik erschaffen scheint für die spanische Künstlerin Selbstbestimmung zu bedeuten und setzt eine ganz eigene Kraft frei. Eine Kraft, die sich auf ihre Hörer:innen überträgt. Neben ihrer starken Diskografie vertritt Zairah zudem eine klare politische Haltung. Sie identifiziert sich mit der Latinx Community1 und kämpft gegen die Diskriminierung dieser. 2020 veröffentlicht sie in Kooperation mit dem Illustrator Ugly Primo einen Song inklusive Video, der sich vorrangig an die Latinx Community richtet. Diese soll mit dem Track zur US-Wahl am 3. November animiert werden, um sich gegen die rassistische Politik der letzten Jahre zu stellen. Der Titel des Songs „Mueve el pom pom“ (dt. „Bewegt den Po“) zeigt, wie Zairah es schafft, ihrem Humor treu zu bleiben und gleichzeitig eine ernste Aussage zu treffen.
Es ist genau diese Verbindung aus ernsthafter politischer Message und guter-Laune-Musik, die Zairah so besonders macht. Hinter ihren Videos, Tracks und Texten steckt oft ein tieferer Sinn. Sie kehrt verankerte Machtstrukturen mit einer Selbstverständlichkeit um und spricht Missstände subtil an. Sie hat die Zügel in der Hand und schafft Musik, die Hörer:innen stark fühlen lässt – egal ob auf der Tanzfläche im Club oder nachts in der U-Bahn.
1 Latinx Community: Neologismus, der sich auf Personen mit lateinamerikanischer Identität in den USA bezieht.