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Juicy

Juicy

Mit dem Namen Juicy tut man sich als Künstler:in nicht unbedingt einen Gefallen, suchmaschinentauglich ist er jedenfalls nicht. Versucht es ruhig, gebt „Juicy“ ein, gerne in Kombination mit „Rap“ oder „Rapper“. Ihr kommt bei Juicy J heraus, bei Juicy Gay, vielleicht noch bei Juice WRLD, oder bei Biggies Hit „Juicy“. Immerhin mit letzterem sind wir schon fast an der richtigen Stelle: „Mein Alltime-Favorite“, nennt die Juicy, nach der wir eigentlich suchen, diesen Track, der tatsächlich Pate für ihren Künstlerinnennamen stand. Über die Komplikationen bei der Auffindbarkeit, die er ihr beschert, zerbricht sie sich nicht den Kopf, viel wichtiger: „Ich finde, der Name passt zu mir, zu meinem Erscheinungsbild.“

Ihr Faible für Biggie lässt ahnen: In dieser Frau schlummert eine schon lange gehegte Liebe zum HipHop. „Als ich damit angefangen habe, in der Schule, da hat niemand Rap gehört bei uns“, erinnert sie sich. „Ich war so ziemlich die einzige. Das war damals auch noch richtig uncool.“ Besonders in Maxhütte-Haidhof in der Nähe von Regensburg, woher Juicy stammt. Wo niemand Rap hört, macht auch niemand welchen: „Die wenigen Rapper, die es gab, konntest du damals an einer Hand abzählen.“ Kein Wunder, dass es ein bisschen dauert, bis Juicy die Sache Ende 2017 selbst in die Hand nimmt, um die zwanzig ist sie da bereits. Warum denn so spät?

Ich hatte immer den Gedanken, dass man gar nicht anzufangen braucht, wenn man aus Bayern kommt. Man schaffts eh nicht. Inzwischen denke ich anders. Heutzutage kann man es von überall aus schaffen.“

– Juicy gegenüber 365Fe*male MCs

Ihren früher sehr viel stärker hörbaren Dialekt schraubt Juicy über die Monate und Jahre trotzdem deutlich zurück. „Mein rollendes R werde ich allerdings wohl nicht mehr los“, lacht sie. „Will ich aber auch gar nicht. Ich finde, das macht mich aus: ein Wiedererkennungswert!“

Wer spät anfängt, muss schneller arbeiten? Zu Beginn denkt Juicy das noch. Bereits Anfang 2018 nimmt sie ihre ersten Tracks auf und tritt monatlich bei Open Mic-Veranstaltungen mit neuen Songs auf, wo sie auf Oldschool-Beats performt. Im Sommer desselben Jahres folgt das erste Release. Das lässt sie allerdings später diskret in den Nebeln der Zeit versinken. Es sei nicht mehr online, sagt sie, weil sie sich damit nicht mehr identifizieren könne. Danach werden die Abstände länger. “Das mag nicht schlau sein”, gibt sie zu, “aber ich mag es, lange an Songs zu arbeiten.“ Ausnahmen gibts natürlich immer, „Strike A Pose“ ist in zwei Stunden entstanden:

„Aber normalerweise höre ich die Beats wirklich lange, arbeite sehr, sehr lange an den Tracks. Ich will einfach, dass am Ende zeitlose Projekte entstehen, die ich für immer hören mag.” Ihre Weiterentwicklung dokumentiert im März 2019 “Gin & Juicy”: „Ich mach‘ dich zum Groupie“, kündigt sie da an, außerdem ein Tape, das ebenfalls den Titel „Gin & Juicy“ tragen soll. Anders als das erste dieser beiden Versprechen löst sie das zweite nicht ein: Das „Gin & Juicy“-Tape erscheint nie. „Ich habe entschieden, dass ich mich auf Singles fokussieren will.“ An dieser Einstellung hat sich bislang nichts geändert, ein Album ist nach wie vor nicht in Sicht. Dafür bringt sich Juicy immer wieder mit einzelnen Tracks zurück auf den Radar.

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Optik und Attitude legen nahe: Da hat jemand eine ganze Menge US-Rap gehört. „Vorbilder würde ich das nicht unbedingt nennen“, so Juicy. „Eher Inspiration, und die kommt bei mir immer aus den USA. Von Cardi, Nicki, Lil‘ Kim, klar, aber auch von der neuen Generation: Renni Rucci, City Girls, DreamDoll…“ Doch nicht nur Rapperinnen hinterlassen Eindruck bei Juicy: „Ganz wichtig: Lady Gaga, die liebe ich über alles. Auch Paris Hilton, und ich bin ein riesiger Michael Jackson-Fan.“ Ganz schön international… und Deutschland hat echt gar nix zu bieten? „Die einzige Person, die mich hier inspiriert hat, ist Shindy. Von dem hab‘ ich echt viel gelernt.“ Später fallen ihr auch noch Kitty Kat und Lumaraa ein, als sie auf Songs mit Message zu sprechen kommt. Mit Musik Geld zu machen, betrachtet Juicy nämlich als angenehmen Nebeneffekt, viel mehr Wert legt sie jedoch auf die Botschaft. Deswegen betrachtet sie auch „Perfect“ als ihren bisher wichtigsten Song: „Ich möchte den Girls sagen: Fühl‘ dich wohl in deinem Körper. Lass‘ dich nicht runterziehen. Du bist gut genug, wie du bist.“

Ein Plädoyer für Selbstliebe und, wenn man sich das Video betrachtet: eine Demonstration von Zusammenhalt unter Frauen. „Deutschrap ist immer noch eine von Männern dominierte Szene“, erklärt Juicy. „Als Frau hast du es zwar viel leichter, Aufmerksamkeit zu bekommen. Es ist aber viel schwerer, ernst genommen und nicht auf sein Äußeres reduziert zu werden.“ Wobei sie zweiteres nicht groß zu belasten scheint: „Wenn das jemand macht, ist es eigentlich sein Problem. Menschen, die mich länger kennen, wissen ja, wofür ich stehe.“ Für Rap mit Message nämlich: „Ich hoffe, dass noch viele Songs kommen, die Leuten Kraft geben. Weil das ist der Grund, warum ich mit Rap angefangen habe.“ Dem Female* Rap prophezeit Juicy übrigens eine große Zukunft: „Es wird! Es werden immer mehr Frauen kommen, und das freut mich extrem.“ Keine große Überraschung: uns auch.

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